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03/2015
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April 1945: Einmarsch der Amerikaner in Rothenburg Quellen : Horst Kaczmarek, Die Dessauer Chronik, Sonderheft „Speerspitze“ auf Dessau, Funk Verlag, Dessau 2006; Matthias J. Maurer, Our Way to Halle – Der Marsch der „Timberwölfe“ nach Halle, Fliegenkopfverlag Halle(Saale) 2001; Betriebsgeschichte VEB Draht- und Seilwerk Rothenburg Teil 1, Rothenburg 1980; Erhard Saecker, Kriegsjahre in Könnern von 1939 bis 1945 – Ein Beitrag zur Geschichte des Ortes, Bückeburg 1999;
F O R T S E T Z U N G In Rothenburg gab es beim Einmarsch der Amerikaner nur leichte Kampfhandlungen gegen einzelne auf dem Saalberg und am Kiefernwald an der Alten Burg vorhandene Widerstandsnester der Wehrmacht. Vermutlich war dies auch der Grund, warum die Amerikaner von den Bergen Zickeritz/ Zellewitz den Ort Rothenburg mit Granatfeuer belegten. Es entstand jedoch kein größerer materieller Schaden. Nur die Villa am Eingang zum heutigen Werk I und das Gleis der Kleinbahn zwischen Teufelsgrund und Mühlgrabenbrücke erhielten größere Treffer. Am 14. April wurden auch die Regimentsein-heiten (Stab und Hauptquartierkompanie, Servicekompanie u. a.) von Zickeritz über die Brücke bei Brucke auf das Ostufer der Saale verlegt. Als letzte Kampfgruppe der 3. Panzer-division überschritt bei Friedeburg das 83. Panzeraufklärungsbataillon die Saale. Es folgte der Task Force Lovelady auf Route 4 und war an der Säuberung der Dörfer auf dieser Route beteiligt. Über die Brücke bei Friedeburg gingen nach der 3. Panzerdivision auch Teile der 104. Infantriedivision (Timberwölfe) der 1. US- Armee über die Saale. Kommandeur der 104. Division war General Terry de la Mesa Allen. Er hatte den Auftrag, die Stadt Halle einzunehmen. Dieser Umweg der Amerikaner resultierte daraus, dass Halle wegen der relativ starken Verteidigung des westlichen Saalegebietes der Stadt und der Zerstörung aller sieben Brücken schwer einzunehmen war. Hunderte Panzer rollten an diesen beiden Tagen durch Rothenburg.
Die Pontonbrücke in Brachwitz. Sie wurde am 15. April errichtet. Die zerstörte Kröllwitzbrücke in Halle - in der Stadt wurden Ähnliche Brücken gab es vorher bei Friedeburg und alle Brücken von der deutschen Wehrmacht gesprengt zwischen Brucke und Rothenburg Besonders beliebt bei den amerikanischen Truppen waren frische Hühnereier. So reichten Kinder und Jugendliche den Panzerbesatzungen Eier hoch und erhalten dafür im Gegenzug Schokoladentafeln. Es gab auch Fälle, in denen die Amerikaner Hühner zum Zweck des Eierlegens anlockten. Hatten sie genug gesammelt, gab es einen ungenierten Angriff in irgend einem Haus auf einen Küchenschrank. Eine Pfanne wurde benötigt, in der mindestens 20 noch nestwarme Eier gebraten werden konnten. Im Gegenzug gab es CornedBeef. Auch an einer an der Pontonbrücke auf der Rothenburger Seite aufgestellten Gulaschkanone fand ein reger Handel statt, und dabei fiel mancher Bissen und manches Steak für hungrige Rothenburger Kinder ab. Die US-Streitkräfte richteten im heutigen Werk I eine Reparaturwerkstatt für ihre Kampffahrzeuge und sonstigen technischen Geräte ein. Alle im Besitz von Privatpersonen befindlichen Waffen, Ferngläser und Fotoapparate mussten den Amerikanern übergeben werden. So ist es zu erklären, dass aus dieser Zeit relativ wenig Foto vorliegen. Am 6. Mai verfügte die amerikanische Besatzungsbehörde eine Registrierung aller Einwohner. Dazu wurden von allen über 12 Jahre alten Personen Fingerabdrücke genommen, und jeder musste eine Unterschrift leisten. Ausgegeben wurden dann Registrierkarten, die ständig von den Inhabern beim Verlassen ihrer Häuser mitgeführt werden mussten. Diese Registrierkarten waren in deutsch und englisch abgefasst, beinhalteten Namen, Alter, Geschlecht, Beruf und Adresse und behielten bis zum 17. Mai 1946 ihre Gültigkeit. Danach wurden neue Ausweise durch die Besatzer herausgegeben. Im ersten Besatzungsmonat wurde eine Ausgangssperre in der Zeit von 19.00 bis 7.00 Uhr verhängt. Auch verordneten sie den befreiten Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern größte Zurückhaltung gegenüber der deutschen Bevölkerung. Trotzdem kam es zu erheblichen Plünderungen in Rothenburg u. a.der Viehställe und der Schnapsbrennerei auf der Domäne, des Ladens von Ernst Tarlatt und auch von privaten Wohnungen. Der jahrelange Hass und Frust der Zwangsarbeiter und Gefangenen entlud sich auch in der teilweisen Zerstörung von Einrichtungen. So wurden im Kindergarten viele Fenster und Türen eingeschlagen, Fußböden und Einrichtungsgegenstände zerstört. Aufseher, die sich in der vergangenen Zeit gegenüber den Gefangenen und Zwangsarbeitern unmenschlich verhalten hatten, wurden gewaltsam aus ihren Wohnungen getrieben und festgenommen. Die ausländischen Zwangsarbeiter wurden von den Amerikanern nach Herkunftsländern zusammengestellt und in besonders dafür eingerichtete Auffanglager abtransportiert. Wie die in Rothenburg eingesetzten 80 KZ-Häftlinge vor dem Eintreffen der Amerikaner Rothenburg verlassen haben, ist nicht bekannt. Belegt ist durch Augenzeugen, dass wenige Tage vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen in Könnern ein Zug von etwa 1500 Häftlingen kurz vor ihrer Sprengung die Saale- Straßenbrücke an der Georgsburg überquerte und dann im Hof der Großen Malzfabrik rastete. Sechs Opfer dieses Todesmarsches starben in Könnern an Erschöpfung. Sie wurden erschossen. Ob die Häftlinge aus Rothenburg diesem Zug angegliedert worden waren, ist lediglich zu vermuten. Angesichts des absehbaren Endes des 3. Reiches wurde in Rothenburg die Munitionsfertigung eingestellt und vorhandene Bestände an Munition vernichtet, sie wurden größtenteils unterhalb der Brücke über den unteren Mühlgraben in der Saale verkippt. Nur noch ca. 30 Kräfte wurden für Aufräumungs- und Reparaturarbeiten an Maschinen, Anlagen und Gebäuden in der ehemaligen Munitionsfabrik eingesetzt. Anfang Juni wurde mit Genehmigung der Amerikaner mit der Fertigung von dringend benötigten Artikeln für das tägliche Leben (Friedensware) in der Metallwarenfabrik (heute Werk I) begonnen. Die Leitung dieser Fertigung wurde dem Oberingenieur Franz Bandel übertragen. Am 29. Juni 1945 verließen die Amerikaner gemäß den Festlegungen der Konferenz von Jalta vom Februar 1945, auf der die Besatzungszonen festgelegt wurden, nach dem Abbau der Pontonbrücken wieder Rothenburg. Am 30. Juni marschierten sowjetische Truppen ein. Impressum: 500 Jahre Industriegeschichte Rothenburg a. d. Saale e.V., Am Kindergarten 11, 06193 Stadt Wettin-Löbejün, Verantw. Ausgabe Nr. 33: P. Stuffrein