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12/2019
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Geschichte der Prinz Carlshütte Quellen: P. Stuffrein, Zeittafel der Geschichte von Rothenburg an der Saale, Rothenburg 2008. Prof. M. Tullner, Die Revolution von 1848/49 in Sachsen-Anhalt, Mitteldeutscher Verlag Halle, 2014. F. Wilcke, Geschichte des Hüttenortes Rothenburg an der Saale, Rothenburg 1832.
F O R T S E T Z U N G Nach dem Brand übernahm die Mansfeld AG diesen Betrieb neben dem Messingwerk (heute Werk II) als Zweigbetrieb und richtete dort eine Messingrohrzieherei ein. Zu den neuen Erzeugnissen gehörten: - Kühlerröhren rund und vierkant - Rohre in langen Stangen - Luftpumpenrohre - Hülsen für Thermoflaschen in Kupfer, Messing und Neusilber. Diese Artikel waren überall sehr gefragt. Außer der Rohrzieherei gab es in der Hütte eine Stanzerei für Gewehrpatronen und Jagdpatronennäpfchen. Die Produktion im Jahr 1923 betrug 166,50 t, es waren 400 Arbeiter und 25 Beamte beschäftigt. Im Kriegsjahr 1915 waren es 5600 t mit 1000 Arbeitskräften. Die Maschinen in der Prinz Carlshütte wurden mit Elektro-Energie aus der Überlandzentrale Halle-Bitterfeld betrieben. Nach Beginn der Weltwirtschaftskrise (Höhepunkt der Inflation war 1923) wurden die Werke in Rothenburg (Messingwerk und Prinz Carlshütte) auf Beschluss der Mansfelder Kupfer- und Messingwerke in Hettstedt 1927 vollständig stillgelegt und demontiert; teilweise wurden die Hallen abgerissen. Auch die vorhandene Turbine zur Stromerzeugung wurde demontiert. Dieser Schritt wurde unternommen, um die Hettstedter Werke zu Beginn der Weltwirtschaftskrise noch halten zu können. Was mit den Rothenburger Beschäftigten geschehen sollte, interessierte die Hettstedter Direktoren nicht. Damit war die über 100 Jahre währende Geschichte der Rothenburger Werke beendet. Bereits bei Errichtung des neuen Werkes in Hettstedt im Jahr 1909 war im übrigen die Kapazität dieses Betriebes so ausgelegt worden, dass in Krisenzeiten auf den Rothenburger Betrieb verzichtet werden konnte. Die Rothenburger Beschäftigten wurden durch die Stilllegung hart getroffen und mussten sich andernorts Arbeit suchen. Viele Rothenburger fanden, trotz des langen Anfahrtsweges, in den Leuna-Werken bei Merseburg und in Halle eine neue Arbeit. Auch nahmen viele Bewohner einen Umzug von Rothenburg zu ihren neuen Arbeitsstellen in Kauf. In einer halleschen Zeitschrift aus dem Jahr 1930 ist zu lesen:„Rothenburg, einst ein blühender Industrieort, ist nach Stilllegung der Grube und des Mansfelder Messingwerkes lediglich auf die Einnahmen angewiesen, die im Sommer der Ausflugsverkehr dem wunderschön in den Bergen gelegenen Städtchen bringt. Von den etwa 1200 Einwohnern haben heute nur noch 7 Personen Arbeit! Abseits der großen Durchgangs-Straße findet man, angeschmiegt an die rotleuchtenden Hänge, idyllische Winkel: im stillgelegten Messingwerk die Reste des alten Schlosses, hinter der Kirche das alte Waisenhaus und ganze Zeilen einfacher, sauber getünchter Wohnbauten, die gleich weißen Farbklecksen den roten Sandstein beleben“. Der Ingenieur Otto Zahn (1900–1950) pachtete 1932 in der stillgelegten Prinz Carlshütte eine Halle, um die Produktion insbesondere von gefüllten Buntmetall-Lötbändern aufzunehmen. Dafür entwickelte Otto Zahn eine entsprechende Maschine. Die Produktion wurde nach Kündigung der angemieteten Räume in der Prinz Carlshütte durch die Mansfeld AG 1934 mit dem Bau eines eigenen Betriebes „Metallwerk Friedrich-Otto- Hütte“ am Burgberg 18 (heute Turnhalle) mit erweiterter Palette, u.a. Einzelfertigung von Maschinen- Ersatzteilen bis 1959 fortgesetzt (siehe RG Nr. 9, Dez.2009). Ein dunkles Kapitel 1934-nach der Machtergreifung Hitlers begann der Ausbau des Werkes (heutiges Werk I) zu einer modernen Fabrik für Gewehr- und Pistolen-Munition. Das Gelände der Prinz Carlhütte wurde dadurch erheblich erweitert. Alle erforderlichen Maschinen wurden vom damaligen Oberkommando der Wehrmacht als Reichseigen angeliefert. Die Hallenbauten wurden von der Mansfeld AG finanziert und errichtet. Diese damals errichteten Gebäude wurden bis 1990 genutzt als Verwaltungsgebäude, Sozialgebäude, Mittelzug, Grobzug, alte Beize, Patentierung, Hauptmechanik und Magazin. Weiterhin erfolgten der Bau von zwei Schießständen zur Erprobung der hergestellten Munition, die Errichtung eines geschützten Pulverlagers im Nussgrund und die Verlegung einer Hochspannungsleitung von Hettstedt nach Rothenburg, um vom öffentlichen Stromnetz unabhängig zu sein. Dadurch wurde die bisherige Versorgung vom Überlandwerk Halle-Bitterfeld hinfällig Außerdem wurde ein Generator zur Gaserzeugung von Hettstedt nach Rothenburg umgesetzt. Nach Ende des 2. Weltkrieges wurde die Produktion im Betrieb auf Friedensware umgestellt. Dazu gehörten: Schüsseln, Töpfe, Teller, Löffel, Gabeln, Messer, Schöpfkellen, Trinkbecher, Durchschläge, Siebe, Lesekörbe, Eimer und Lockenwickler für die Frauen. Im November 1946 traf in Rothenburg ein Demontagekommando der am 9. Juni 1945 gebildeten Sowjetische Militär Administration (SMAD) ein. Es übernahm die Befehlsgewalt und begann mit dem Abbau und Abtransport der Maschinen und Anlagen in der Metallwarenfabrik (Werk I). Die Maschinen und Anlagen im Werk II entgingen der Demontage, da sie nicht für Kriegszwecke genutzt worden waren. In den 60-iger Jahren erfolgten im Betrieb umfangreiche Investitionen; in deren Folge auch das 1840 durch Julius Martini erbaute Wohnhaus abgerissen wurde. Heute befindet sich am ehemaligen Standort dieses Hauses der Parkplatz vor dem Haupteingang des Werkes. Von der einstigen Prinz Carlshütte ist heute kein Gebäude mehr erhalten geblieben Impressum: Rothenburger Geschichte(n), Schriftenreihe Nr.51, Dezember 2019, 12. Jahrgang Nr. 4, 500 Jahre Industriegeschichte Rothenburg a.d. Saale e.V., Am Kindergarten 10, 06193 Stadt Wettin-Löbejün, Verantw. Ausgabe Nr. 51: P. Stuffrein