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05/2016
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Auf der Suche nach alten Kameraden Quelle: Silvia Zöllner: „ Auf der Suche nach alten Kameraden – Rothenburger Franz Hoyer sucht seine alten Kameraden“, in: Mitteldeutsche Zeitung vom 28. September 1994
Unter der Überschrift „Auf der Suche nach alten Kameraden - Rothenburger Franz Hoyer sucht seine alten Kameraden“ erschienen 1994 in der Mitteldeutschen Zeitung zwei Artikel über die von Franz Hoyer (1917-2003) im Zweiten Weltkrieg angefertigten und an seine Kameraden verschenkten Trinkbecher aus Patronenhülsen. Diese Artikel werden nachstehend unverändert wiedergegeben. „Wenn der Rothenburger Franz Hoyer auf sein Messingtablett mit sechs kleinen Trinkbechern schaut,fragt er sich immer wieder: Ob wohl die anderen Becher noch existieren? Während des Zweiten Weltkrieges hat der heute 78jährige an der russischen Ostfront aus Flak-Hülsen kleine Schnapsbecher gefertigt, graviert und auch verschenkt. Gedacht waren sie – mangels anderer Waren – vor allem als Geschenke für Verlobungen. Als Souvenirs gingen die kunstvoll gefertigten Gefäße wieder nach Halle und in den Saalkreis zurück, erinnert sich Franz Hoyer. „Denn solche Erinnerungsstücke habe ich nur für Soldaten aus unserem 53. Infantrie-Regiment gemacht, und die stammten in der Hauptsache aus der Umgebung“, so der Rothenburger. Das Regiment war in der Naumburger Kaserne ausgebildet worden. Franz Hoyer erinnert sich unter anderem noch an die Hallenser Hans Dorn, Kurt Findeleisen, Hans Kühn und Heinz Bley, an den Trothaer Gerhard Giebler, an Franz Schröder aus Belleben, Walter Jäne aus Röblingen und den Ammendorfer Ernst Scharf. Nachdem er 1949 aus russischer Kriegsgefangenschaft nach Rothenburg zurückgekehrt war, hatte er nach seinen Kameraden gesucht. Erfolglos. Doch jetzt startet der ehemalige Truppenmechaniker einen zweiten Versuch: „In den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr kommen doch viele Leute zu Besuch.Vielleicht erinnert sich jemand an einen solchen Trinkbecher aus Messing mit eingravierten Rosen“. So könnte er vielleicht doch noch etwas über den Verbleib seiner Kameraden erfahren – oder aber den Angehörigen seinen letzten Wissensstand über das Schicksal der Männer mitteilen. Auf die Idee, solche Becher zu fertigen, kam der gelernte Elektriker durch seine eigene Verlobung 1943. Ein Jahr zuvor, so erzählt Franz Hoyer, bekamen die Soldaten erstmals Heimaturlaub. Er lernte eine Frau kennen, mit der er sich im darauffolgenden Jahr verloben wollte. Dafür suchte er nach einem Andenken. Die große Not machte damals erfinderisch. Und so begann der Rothenburger, Geschosshülsen zu bearbeiten. Wer nähere Informationen über den Verbleib der Soldaten hat, kann sich bei Franz Hoyer telefonisch unter der Nummer xxxxx melden“. Franz Hoyers Kameraden – aufgenommen Silvester 1938/39 in der damaligen Kaserne in Naumburg (Franz Hoyer - dritter von links). Erste Erfolge bei der Suche nach alten Kameraden Wiedergefunden haben sich sieben der etwa 20 gravierten Trinkbecher, die der Rothenburger Franz Hoyer während des Zweiten Weltkrieges an der russischen Front aus Flak-Hülsen hergestellt und verschenkt hat. Mit diesem Sucherfolg nach einem MZ-Bericht hat der ehemalige Truppenmechaniker nicht gerechnet: „Ich freue mich darüber sehr“, so der 78jährige. Schließlich hatte Franz Hoyer bereits nach seiner Entlassung aus der russischen Gefangenschaft erfolglos versucht, seine ehemaligen Kameraden oder deren Angehörige mit Hilfe der mit Rosen gravierten Trinkbecher wiederzufinden. Als Erinnerungsstücke für Kriegsverlobungen waren diese Schnapsbecher aus Messing vor allem gedacht, die der Rothenburger ausschließlich an Soldaten aus dem 53. Infantrie-Regiment verschenkt hat. Dieses Regiment, das in Naumburg ausgebildet worden war, war vor allem aus Männern aus Halle und Umgebung rekrutiert worden. Deshalb gab Franz Hoyer auch fast 50 Jahre nach Kriegsende die Hoffnung nicht auf, etwas über den Verbleib seiner Kameraden zu erfahren. Völlig überrascht war er von einem Anruf der Wallwitzer Familie Aleithe, die gleich sechs dieser Becher aus Messing besitzt. „Ich konnte mich nicht an den Namen ihres Vaters erinnern“, berichtet Hoyer. Und auch nicht daran, daß er offenbar zwei verschiedene Gravuren gemacht hat. „Vielleicht drängte die Zeit, so daß ich drei dieser Becher schneller fertigstellen mußte. Aber schließlich liege das Ganze ja auch schon über 50 Jahre zurück. Bei einem Besuch der Familie Aleithe will Hoyer die zweckentfremdeten Hülsen einmal in Augenschein nehmen. Ein Termin stehe aber noch nicht fest.